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Samstag, 7. Juli 2012

Bitte ein Biobuch für Frau Berg!

In den letzten Wochen war ja so einiges los. In nichtchronologischer Reihenfolge: das Beschneidungsurteil. Vielleicht schreibe ich dazu noch was. Ansonsten gab es ziemlich viel Aufregung um den Marsch für das Leben, genauer: um die verbilligten Fahrkarten, die es bei der DB aus diesem Anlass gibt. Wie übrigens auch für andere Großveranstaltungen. Irgendwelche pseudofeministischen Blogs (Abtreibung ist frauenfeindlich, ergo kann, wer für Abtreibung ist, kein*e Feminist*in sein) haben das aufgegriffen und einen veritablen Shitstorm gegen die DB in Gang gesetzt. Dabei wurde entweder (wie wahnsinnig kreativ) per copy und paste ein Abschnitt aus eben einem dieser pseudofeministischen Blogs der DB auf die Facebookseite gesetzt, oder es wurde selbst formuliert. Weil sich natürlich auch Prolifer, darunter auch yours truly, eingemischt haben, kam es an einigen Stellen zu Diskussionen. Dabei offenbarten einige der Abtreibungsbefürworter ein wirklich schon groteskes Ausmaß an Nichtwissen, etwa wenn gesagt wurde, wir müssten ja dann eigentlich auch gegen Kondome und Selbstbefriedigung demonstrieren, weil dabei ja auch menschliches Leben vernichtet würde. Äh, nein. Aber das in Spermien keine kleinen Menschlein sind hat sich offenbar zu gewissen Leuten noch nicht rumgesprochen. Wie war das? Mittelalter, Mittelalter, hey, hey? Wobei höchstwahrscheinlich im Mittelalter schon diverse Leute der Meinung waren, daß das mit den kleinen Menschlein im männlichen Samen zu obskur klingt um wahr zu sein.

Völlig faktenresistent, beziehungsweise: entweder wirklich zum Gotterbarmen dämlich-ungebildet oder einfach nur boshaft zeigt sich auch eine Kolumnistin beim Spiegel. Sibylle Berg hat nämlich einen kleinen Text verfasst, mit der schönen Überschrift: Gebärt doch, ihr Bratzen! 

Ich bin nun wirklich niemand, der sofort heult, wenn man etwas schärfer formuliert. Tue ich auch gerne. Aber in einem angeblich seriösen Medium wie dem Spiegel bzw. in der Onlineversion würde ich doch erwarten, daß auch in einer Kolumne wenigstens ein gewisses Niveau nicht unterschritten wird. Frau Berg schafft es gleich mit der Überschrift, dieses Niveau massivst zu unterschreiten. Bratzen. Na gut. Ich verkneife mir dann jetzt mal boshafte Kommentare zur ästhetischen Qualität des Antlitzes, das einem neben dem Artikel entgegenschaut (Bratzen ist normalerweise durchaus auch eine Aussage über das Aussehen einer Person) und lese weiter. Da gehts erstmal um eine Mutter und ihre zwei Kinder mit "Danke Mama, ich darf leben"- Schildern. Frau Berg hat die drei als Foto auf ihrem Twitteraccount verlinkt und behauptet dort, es würde sich um Hiltrud, Torben und Reina (?) handeln. Mag sein, daß die so heißen, mag sein, daß sie von Frau Berg so benannt wurden. Angeblich sind die Kinder nicht älter als sechs (eins von denen sieht älter aus, aber egal). Es läuft darauf hinaus, daß diese armen Kinder von ihrer Mutter dazu genötigt wurden, auf dem Marsch für das Leben mit solchen Schildern rumzulaufen. Wirklich empörend. Daß auf Seiten der Abtreibungsbefürworter durchaus auch Leute mit Kindern, Babies sogar, unterwegs waren, die auch fleissig in die von Mama oder Papa spendierte Trillerpfeife bliesen scheint Frau Berg entgangen zu sein. Daß es schön ist am Leben zu sein kann ein kleines Kind durchaus erfassen. Aber was es mit Abtreibung wirklich auf sich hat? Im Zweifelsfall finde ich es durchaus ok, ein Kind auf eine Demo für das Recht auf Leben mitzunehmen, aber ziemlich pervers, ein Kind für das Recht auf die Tötung ungeborener Kinder demonstrieren zu lassen.

Weiter im Text. Zum Thema "von der DB gesponsert" muß eigentlich nix mehr gesagt werden außer: faktenresistent. Dann wird Frau Berg aber (wieder) beleidigend. Da "eiern" Christen durch Deutschland, mißbrauchen ihre Kinder als Schutzschilde (kein Wort zu den Kindern auf der Gegenseite; kein Wort dazu, daß es die Abtreibungsbefürworter sind, die schon geborenen Kindern direkt ins Ohr trillern). Da sind Mütter ockerfarben, die Männer gelb, die Kinder wollen angeblich lieber gar nicht sein; Bratzen wird wieder erwähnt, selbstgerecht sind wir natürlich auch, das Wort Dreck fällt. Wir sollen gebären daß es kracht, Kinder flutschen lassen, wir Frauen sollen befruchtet werden, und den Männern wird mal eben noch Impotenz unterstellt, weshalb mit "befruchten" auch die künstliche Art gemeint ist (schon wieder: sie hat keine Ahnung. IVF kommt für Lebensschützer nicht in Frage, weil "überzählige" Embryonen erzeugt werden).

Und dann kommt der Satz, der endgültig zeigt, daß Frau Berg in der Schule sicher alles mögliche gemacht hat- außer in Biologie aufzupassen:

Es gibt keinen vernünftigen Grund, die Erde weiter zu bevölkern, es gibt kein Grundrecht auf Lebensherstellung.


Frau Berg, erstens bin ich mir schon ziemlich sicher, daß mir eigentlich niemand vorschreiben darf, ob ich Kinder bekommen darf oder nicht. Auch wenn es genug Jubelperser gibt, die zum Beispiel die Politik Chinas beklatschen: die Einkindpolitik ist eine massive Verletzung der Menschenrechte. Wäre sie auch, wenn sie, wie auch immer, ohne Zwangsabtreibungen auskäme.

Und zweitens, und da haben Sie offenbar in Bio gepennt: wenn Eizelle und Spermium verschmelzen, ist Leben herstellt. Wenn eine Frau schwanger ist, hat sie nicht mehr die Wahl, ob sie Mutter werden möchte oder nicht. Sie hat nur noch die Wahl, ob sie Mutter eines lebenden oder eines toten Kindes sein möchte.

Zum Abschluß wünscht sie uns noch "riesengroße Kuhfladen auf den Kopf und Räder an die Füße genagelt". Irgendwie kann ich mir sowas ganz gut als Teil künftiger Märtyrerviten vorstellen. Wo da allerdings die von ihr geforderte "liebevolle Nachsicht" bleibt?

Sie hätte vielleicht noch mal etwas nachdenken sollen vor dem Schreiben. Dann wäre ihr vielleicht auch noch aufgefallen, daß es kein Recht auf Abtreibung gibt, auch in Deutschland nicht- Abtreibung ist rechtswidrig, aber unter bestimmten Umständen straffrei. Womöglich wäre ihr dann auch irgendwann der Gedanke gekommen, daß man aus diesem ihrem Satz:


Warum spielen sich Menschen eigentlich als Richter über die Gebärmutter ihrer Nachbarin auf? Die eine Frau bringt ein Kind auf die Welt, die andere treibt ab
sehr interessante Alternativsätze bilden kann. Warum spielen sich Menschen eigentlich als Richter über den Umgang mit den altersschwachen Eltern ihrer Nachbarin auf? Die eine Frau pflegt ihre Eltern, die andere bringt sie um. Klingt irgendwie...nicht so gut, oder, Frau Berg? Amerikanische Blogs bringen als Konter auf den Satz "wenn sie gegen Abtreibung sind, dann treiben sie halt nicht ab" gerne mal "wenn sie gegen Kindesmißbrauch sind, dann mißbrauchen sie halt keine Kinder". Aber halt- ein ungeborenes Kind ist für Frau Berg ja noch kein Leben, daß man töten könnte. Sie müsste dann aber, gerne in Gegenwart von Biologen, mal erklären, ab wann es denn plötzlich, mirakulöserweise, zum menschlichen Leben wird. Wird sie aber vermutlich nicht. Mit Ideologie und Scheuklappen lässt es sich halt besser gegen Christen hetzen als mit wissenschaftlich belegbaren Fakten.

Edit: Viel christlicher hat Gertie di Sasso vom hörenden Herzen reagiert, und viel musikalischer Elsa.  Und, ganz großartig, Peter:  


Es ist der übliche Hass auf das Leben an sich. Es ist die öde und unerträgliche Hoffnungslosigkeit einer diesseitsfixierten Frustemanze, die dem Leser mit ausgestreckten Krallen literarisch daherkommender Thanatophlie entgegenspringt und am liebsten alles Lebende und alles was Leben zu geben mag, in den nihilistischen Abgrund des eigenen gefühlten Nichtseins reißen möchte. Nichts neues unter Sonne …

Vielleicht wäre Frau Berg und ihren Gesinnungsgenossen aber auch mit Kindern zum "Selberindoktrinieren" gedient- dann hätte sie auch eine sinnvollere Beschäftigung, als groben Unfug in Kolumnenform zu verfassen. Ein Vorschlag von Phil :)

9 Kommentare:

  1. "Wie war das? Mittelalter, Mittelalter, hey, hey? Wobei höchstwahrscheinlich im Mittelalter schon diverse Leute der Meinung waren, daß das mit den kleinen Menschlein im männlichen Samen zu obskur klingt um wahr zu sein.

    Ey, mal wieder voll das Mittelalter...

    das Mittelalter ist eine Konstruktion des Barock. Um sich selbst als total wissenschaftlich, modern und aufgeklärt wahrzunehmen grenzten sich die zeitgenossen vom "finstren Mittelalter" ab. Und da auch damals Gruseln vor dem schaurig-schönen schon ein Grundbedürfnis war wurden auch glaich Anschauungsobjekte fabriziert wie die Eiserne Jungfrau.
    Über Folter im Mittelalter habe lass eich mich ständig aus, wenn es nach näheren Ausführungen ein Bedürfnis gibt: nur Bescheid sagen, solange bleiben wir bei der Kurzform: das Mittelalter war icht zimperlich, aber wenn ein kreativer menschlciher Geist eine Maschine erdachte, die eigens dazu gebaut wurde, um anderen Menschen Schaden zuzufügen sind wir nicht im Mittelalter, sondern in der (Frühen) Neuzeit.


    Im Mittelalter machte man sich viele Gedanken, wie das denn sei mit den Babies... gängig war die Lehrmeinung, dass sowohl Mann als auch Frau Samen in sich trugen, die vereinigt dann zum Kind heranwachsen.
    War der Same der Frau stärker wurde es ein Mädchen, war der same des Mannes stärker wurde es ein Junge.
    Das mit den Spermien als Mini-Menschlein ist also nicht mal Mittelalter. Das klingt verdächtig nach barocken "Samentierchen".


    Über Frau Bergs Wortwahl kann man nur den Kopf schütteln, ihre Logik-Lücken sind eklatant.
    "Leben und Leben lassen" ist nämlich genau das Problem.

    Niemand verlangt, dass irgendein Kind morgens aufsteht und seinen Eltern dafür dankt, am Leben zu sein. Das ist Unfug und dient nicht der rationalen Auseinandersetzung, sondern dem Lächerlichmachen der anderen Seite.
    Aber letztens kam GRosser Tiger mit einem gesicht wieder, dass uns sagte "da stimtm was nicht". Und nach einer Weile rückte er damit raus: "Mama, stimmt es, dass es eine Medizin gibt, die macht, dass man keine Babies mehr bekommt?"
    Ja das gibt es.
    Extrem besorgter Gesichtsausdruck "Mama, nimmst du die auch?"
    Grosser Tiger, du hast 2 kleine Brüder... was meinst du denn, mache ich das?
    Erleichterung im Kindergesicht.

    Ich habe keine Ahnung, wie er reagieren würde wenn ich ihm sagte, dass es Abtreibung gibt. Ich werde es auch nicht ausprobieren. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass das ein Schock wäre und das Gefühl existentieller Bedrohung auslösen würde.

    Ich bin mit einem Biologen verheiratet. Und nach 3 Schwangerschaften kann man mir echt nicht mehr weismachen, dass das im Bauch kein Kind ist.

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  2. Diese Spiegel Kolumne ist doch bestimmt eine Persiflage auf ideologische Verblendung. Anders kann ich mir diese Haßrede nicht erklären. *kopfschüttel*

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  3. Frau Berg und ihr "Artikel": pathologisch.
    Mehr muss man dazu nicht sagen.

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    1. Eigentlich nicht. Aber ich musste irgendwie ein bißchen Dampf ablassen. Sonst wäre ich vor Wut und Entsetzen geplatzt. Bei den Leserkommentaren gab es ein paar Lichtblicke, aber im großen und ganzen klatscht der Pöbel dem Ganzen auch noch artig Beifall.

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    2. Damit wir uns nicht falsch verstehen:
      Du hast da sehr gut (und vor allem mit Niveau) auf dieses Pamphlet reagiert. Respekt!

      Man fragt sich, wie die Redaktion einer Zeitschrift (und sei es "Der Spiegel") solch einen Beitrag veröffentlichen kann und sich damit selbst in die unterste Schublade einsortiert...

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  4. Das fragt man sich wirklich. Zumal der Spiegel Frau Berg ja schon seit geraumer Zeit ein Forum bietet auf Spiegel Online. Ist ja nicht das erste Mal, daß die Dame sich unangemessen ausdrückt...

    Und: ich hab das schon richtig verstanden, keine Sorge! :)

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  5. Antworten
    1. Cassandra, an mich? Oder an Frau Berg?

      Ich hab keine bekommen, allerdings hatte ich hier auch chrismirabilis@googlemail.com statt gmail.com, aber bisher war das immer sozusagen austauschbar.

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