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Donnerstag, 31. Mai 2012

Warum ich meine Organe nicht spenden werde...

und auch keine Spenderorgane annehmen werde (es sei denn, es handelt sich um eine freiwillige Lebendspende, aber, klar, hier gehts um Spende nach Hirntod) fasst ein FAZ-Artikel aus 2010 ausgezeichnet zusammen. Der Autor ist übrigens selbst Mediziner.

Es ist eines, wenn Personen dem christlichen Ideal folgen und ihr Leben für ihre Freunde hingeben. Es ist ein anderes, zur Rettung eines Menschen einem Dritten Organe herauszuschneiden, von dem offenbar nicht jedermann sicher ist, dass er auch tot ist.

Ich verstehe sowieso nicht, weshalb eine Definition, die primär der Transplantationsmedizin nutzt, also interessegeleitet ist, so allgemein akzeptiert wird, obwohl es um Leben und Tod geht. Man kann natürlich spekulieren, daß Menschen dieses Thema unangenehm ist, und sie daher noch weniger als sonst gewillt sind, zu hinterfragen, was ihnen da präsentiert wird. Zudem wird ja aus allen Rohren mit Pro-Hirntodkriteriumsargumenten geschossen (der überwiegende Teil der Medien, der Ärzteschaft und der Politik sind dafür- oder zumindest wird dieser Eindruck erweckt). Und man ist auch einfach nicht so gerne ein egoistischer Spielverderber, der seine Nieren und sein Herz lieber mit ins Grab nimmt, obwohl man damit doch Menschenleben retten könnte...Nein, man gibt sich lieber altruistisch, willigt in die Spende ein oder schiebt das Thema weit, weit weg.

Es ist auch nicht so ganz hilfreich, daß sich das Lehramt dazu noch nicht so ganz eindeutig geäußert hat. Wobei: wenn Spenden "ex cadavere" erlaubt sind, WENN man sicher sein kann, daß es wirklich ex cadavere ist, sprich: der Spender tot ist- dann verbietet sich die Organspende eigentlich für Katholiken, denn man kann sich da aus mehreren Gründen nicht sicher sein. Erstens muß man es nicht plausibel finden, daß der Mensch tot ist, wenn sein Hirn futsch ist, obwohl die Körpertemperatur autonom reguliert wird, inklusive Schwitzen; die Verdauung läuft, es zu Erektionen kommen kann, Schwangerschaften erhalten bleiben und in etlichen Fällen es eben nicht (beziehungsweise, erst Wochen/Monate/Jahre nach dem zu erwartenden Zeitpunkt) zu Asystolie kommt.
       Zweitens muß man nicht zwangsläufig Vertrauen in die Diagnosemethoden und das Personal haben, oder in die entsprechenden Richtlinien.
Und drittens: erstaunlicherweise hat man mit neuen Geräten und Methoden Hirnaktivitäten in Arealen entdeckt, wo man je nach Krankheitsbild eigentlich keine erwarten durfte. Die diagnostischen Mittel zur Feststellung des Hirntods erfassen (so Fachleute) nicht das gesamte Gehirn. Es ist womöglich einfach eine Frage der Zeit und des Fortschritts, bis man eben doch Aktivität feststellt. Und wenn Ärzten unwohl ist bei der Sache, weil sie physiologische Schmerzreaktionen bei Hirntoten beobachtet haben, dann muß man nicht mal religiös argumentieren, um zum Schluß zu kommen, daß eigentlich nach derzeitigem Kenntnisstand der Hirntod als Kriterium für den Tod nicht vertretbar ist. Man KANN dann natürlich sagen, egal, dann sind die halt nicht tot, aber man kann sich ja heroisch entscheiden, sein Leben ein bißchen früher zu beenden. Oder, etwas weniger heroisch entscheiden, der Mensch da auf der Intensivstation, der könnte doch gerechtfertigterweise ein bißchen früher ins Jenseits befördert werden. Diese Überlegungen gibt es, und, so abscheulich ich sie auch finde- es wäre wenigstens ehrlich. Dann sollten wir uns aber ganz warm anziehen, weil: dann sind die Wachkomapatienten, die jahrelang nur rumliegen und dem Pflegepersonal Arbeit, den Angehörigen und der Gesellschaft Kosten machen, als nächstes dran. Und danach?

Auf was für Ideen man dann sonst noch so kommen kann will ich lieber nicht wissen. Es wäre zu hoffen, daß der Hirntod in Zukunft nicht mehr als Tod des Menschen gesehen wird, sondern als eine Wegmarke auf dem Weg vom Leben in den Tod. Und: es wäre fantastisch, wenn man statt irgendwelcher Versuche mit embryonalen Stammzellen, letztlich also mit extrem jungen Kindern (wer mit der Formulierung Probleme hat: das eigene Leben, oder das der eigenen Kinder, mal als Zeitstrahl vorstellen. Und dann ganz, ganz weit nach links gehen auf diesem Zeitstrahl...) , endlich weiterkommt bei der Forschung mit adulten Stammzellen. Vielleicht lässt sich auf diesem Wege irgendwann der Bedarf an "Ersatzorganen" decken. Ganz ohne dabei über noch-nicht-Leichen gehen zu müssen.

4 Kommentare:

  1. Ich habe einen Organspender-Ausweis.

    Warum?
    Erstens ist man in der Spende-Situation der Medizin (mein Vertrauen in Mediziner ist eher gering) ausgeliefert, wenn die einen für tot halten wird sie auch der fehlender Spender-Ausweis nicht abhalten zu tun was immer sie auch tun werden.
    Aber er enthält eine Einschränkung: sowohl mein Mann als auch ein katholischer Geistlicher müssen zustimmen im konkreten Fall.

    Zweitens brauche ich meine Nieren wirklich nicht mehr wenn ich tot bin- scholastische Debatten, ob und wie man einen amputierten Finger bestatten müsse mal beiseite.

    Und drittens weil es über meinen Tod hinaus eine Möglichkeit ist zu sagen "Mir liegt was an dir!".


    Ich habe einmal ein Organ im weiteren Sinne erhalten- Blut bei der Geburt des Grossen Tigers, ohne die Transfusion wäre ich verblutet. Seitdem spende ich Blut. Ich kann der Person, die für mich gespendet hat, nicht danke sagen. Aber ich kann etwas von meinem Blut bereitstellen für Menschen in derselben Situation.


    Bei einem Klinikaufenthalt in der Schwangerschaft sass ich vor dem Ulteraschall-Raum. Neben mir sass eine Frau mir kleinem Baby-Bäuchlein und Koffer. Sie erzählte mir, sie sei für eine Abtreibung da. Ich schluckte- da sah man einen Bauch!
    23. Woche meinte sie im Plauderton. Aber "das geht zum Glück noch"- das Organultraschall hatte eine Nierenfehlfunktion angezeigt.

    Dieses Kind starb weil es einen Nierenschaden hatte. Hätte es mit einer gespendeten Niere leben dürfen?
    Ich habe sie gebeten, das nicht zu tun. Aber ein Kind mit Nierenschaden "kann ja nicht normal leben" und das will sie nicht.


    Der Hauptansatz muss sein, dafür zu sorgen, dass Menschen nicht als Last (notfalls auch als Last für sich selbst) gesehen werden. Dann wird die Frage, wie tot tot ist, irgendwann zur Nebensache- weil auch das Kind mit Nierenschaden erstmal ein Kind ist und der Mensch im Koma mehr als ein Kostenfaktor.

    Den Krankenkassen ist die ganze Transplantationssache übrigens eher unrecht- das kostet nämlich erheblich Summen.
    Das ist auch der Grund, weshalb Stammzelldatenbanken etc keine Gelder von den Krankenkassen bekommen.

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    1. Ich denke, es ist wichtig zu unterscheiden:
      Blut zu spenden oder eine Niere, Knochenmark oder Haut... ist etwas anderes als bei einer hirntoddiagnostizierten Person lebenswichtige unpaarige Organe zu entnehmen, deren Entnahme den Tod des Menschen zur Folge hat.
      Unproblematisch dagegen ist wiederum die Entnahme von Körperteilen "ex cadavere", also wenn der Mensch bereits eindeutig tot (nicht nur hirntot), ohne Lebenszeichen ist, z. B. Hornhäute...
      Nur Hirntod-Tote sind schon des öfteren wieder ins Leben zurückgekehrt (bzw. waren nicht tot). Eine Organentnahme in diesem Zustand wäre dementsprechend die Tötung der Person.

      Siehe hierzu z.B.:

      http://frischer-wind.blogspot.de/2012/03/organspende-und-nachstenliebe.html
      und http://frischer-wind.blogspot.de/2011/10/bischofe-fur-organspende.html

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    2. Das Problem sehe ich durchaus.

      Nur: wenn die Superschlauberger in Weiss mich für tot halten ist egal ob ich es bin oder nicht, denn kurz drauf werde ich es sein. Ob ich dann sterbe weil ich keine Nieren mehr habe oder weil sie mir die Nahrung abstellen ist letztendlich eine Frage, die dann nicht mehr entscheidend ist.

      Solange der Definition "Hirntod" das Abstellen der lebenserhaltenden Massnahmen folgt ist der Tod nur eine Frage von Tagen.
      Als Horrorbeispiel habe ich Terri Schiavo vor Augen. Verdurstet weil sie als "eh tot" definiert wurde.

      Jeder von uns braucht Wasser und Nahrung. Solange es in der Macht von Medizinern liegt, diese zu verweigern und dadurch einen Menschen umzubringen, ist man in dieser Situation ausgeliefert.

      Wenn man für tot gehalten wird ist man so gut wie tot. Da hilft nur weins: ein Gesetz, was es verbietet, Wasser und Nahrung abzustellen. Völlig unabhängig von Organspenden.

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  2. Ja, das drückt genau aus, weshalb auch ich meine Organe nicht spenden werde! Ich habe Stunden am Bett von menschen im Koma verbracht. Ihre Empfindungen waren für mich ganz deutlich zu spüren: Kummer, Angst, Schmerz, Sorge, aber auch Entspannung, Gelassenheit, - gut, es handelte sich nicht um Hirntote. Dennoch wird auch von Menschen im Koma immer wieder gesagt: Der kriegt doch nix mit... Es stimmt definitiv nicht! Nach meinem ersten Erlebnis dieser Art habe ich sofort meinen Organspenderausweis zerrissen. Und dann habe ich mir einen neuen besorgt und draufgeschrieben, dass ich es NICHT will. Zur Sicherheit steht das auch in meiner Patientenverfügung. Etwas anderes wäre es, wenn ich bei freiem Willen und Bewusstsein eine von zwei gesunden Nieren jemand spenden müsste, etwa einem Familienmitglied / Freund.

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